Im Gedenken an ein Südtiroler Schicksal: Bekenntnis und Tod des Josef Mayr-Nusser

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mayr_nusser.jpgDer Südtiroler Heimatbund zum Gedenkjahr Josef Mayr-Nusser: Im Jahre 2010 jährt sich zum 100. Male der Geburtstag eines außerordentlich mutigen Südtirolers, dessen Handlungsweise ob ihrer Kompromisslosigkeit bis heute diskutiert wird. Der am 27. Dezember 1910 auf dem Nusserhof in Bozen geborene Josef Mayr-Nusser war ein tief religiös geprägter Mensch.

Mit 24 Jahren wurde er erster Diözesanführer der Katholischen Jugend
des deutschen Anteils der Diözese Trient. Der Leiter der Jugendarbeit
der Katholischen Aktion war damals der katholische Priester Josef
Ferrari, der vor allem nach 1945 sein Leben nicht nur in den Dienst der
Bewahrung des Glaubens, sondern auch des Volkstums und der
Wiederaufrichtung des deutschen Schulwesens in Südtirol stellen sollte.

Der geistig von seinem Vorbild Ferrari geprägte junge Mayr-Nusser
folgte bei der Option von 1939 dem Vorbild von Josef Ferrari und
Kanonikus Michael Gamper und optierte nicht für die Auswanderung,
sondern betätigte sich im „Andreas Hofer Bund“ gegen die
Umsiedlungspropaganda.

Im Jahre 1942 heiratete er Hildegard Straub, die ihm den Sohn Albert schenkte.

Am 5. September 1944 wurde Mayr-Nusser zum Wehrdienst einberufen und
kam zusammen mit etwa 80 weiteren Südtirolern nach Konitz bei Danzig.
Dort erfuhren er und seine Kameraden, dass sie zu einer Einheit der
Waffen-SS kommen sollten.

Für Mayr-Nusser war diese Situation offenbar mit innerer Not verbunden.
Er wäre bereit gewesen, den Wehrmachtseid zu leisten. Er war aber nicht
bereit, den SS-Eid zu leisten, in welchem Adolf Hitler persönlich (und
nicht nur als oberstem Militärbefehlshaber) die Treue geschworen werden
musste. In dem Eid hieß es nämlich: „Ich schwöre Dir, Adolf Hitler, als
Führer des Reiches, Treue und Tapferkeit. Ich gelobe Dir … Gehorsam
bis in den Tod, so wahr mir Gott helfe.“

Mayr-Nusser erklärte nun, er könne die Ableistung dieses Eides – im
Gegensatz zu dem Wehrmachtseid – nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.
(Margareth Lun: „NS-Herrschaft in Südtirol)“

Vergeblich versuchten ihn die Vorgesetzten davon abzubringen.
Mayr-Nusser beharrte auf seiner Weigerung und begründete sie auch
schriftlich. Damit legte er sich frontal mit der Macht des Regimes an.

Er wurde nun von der Geheimen Staatspolizei wegen „Wehrkraftzersetzung“
interniert und es wurde seine Überweisung in das Konzentrationslager
Dachau verfügt.

Auf dem von Fliegerangriffen und Stillständen unterbrochenen Transport
nach Dachau verstarb Mayr-Nusser an Erschöpfung, Hunger und Schwäche.
Als der Zug am 24. Februar 1945 in Erlangen ankam, war er tot. Er wurde
zunächst in Erlangen bestattet, im Jahre 1958 wurden seine sterblichen
Überreste nach Bozen überführt, wo der sterbenskranke Josef Ferrari
zunächst die Gebeine Mayr-Nussers in einem kleinen Sarg zutiefst
erschüttert übernahm und eine Nacht bei sich behielt. Dann wurden die
sterblichen Überreste in der Propsteikirche aufgebahrt und später in
Lichtenstern am Ritten beerdigt.

Mayr-Nussers Handlungsweise wird bis heute teilweise kontrovers
diskutiert, manche meinen, er hätte mit Rücksicht auf seine Frau und
sein Kind nicht derart bedingungslos handeln sollen.

Doch wer vermag sich nachträglich wirklich in seine Gefühlswelt und in
seine damalige Gewissensnot versetzen? Seine moralische und religiöse
Integrität und auch sein Bekennermut stehen außer Zweifel. Seine
persönliche Wahl zwischen einer grundlegenden Überzeugung und der
Rücksichtnahme auf seine Lieben muss nicht von jedem geteilt werden.
Sie ist aber als mit größter Tragik verbundene Gewissensentscheidung
mit tiefem Respekt zur Kenntnis zu nehmen.

Mayr-Nusser ist nicht nur moralisches sondern auch formalrechtliches Unrecht geschehen.

Er war rechtlich nicht verpflichtet gewesen, zu seiner Einziehung zur
SS Ja zu sagen. Immerhin hatte er nicht grundsätzlich den Wehrdienst
und den Wehrmachtseid verweigert, sondern die Zuteilung zur SS und
einen politischen Eid auf einen Mann, den er wohl moralisch
verabscheute.

Bis heute erinnert uns sein Schicksal daran, in welch schreckliche
Situation Faschismus und Nationalsozialismus die Südtiroler gebracht
hatten, als sie das Volk einschließlich seines Klerus in verfeindete
Lager von „Bleibern“ und „Optanten“ zerrissen und die Landeskinder in
imperialistische Kriege von Äthiopien bis Russland geschickt hatten, in
Kriege, welche kein Südtiroler gewollt hatte.

Im Gedenken an Mayr-Nusser sollten wir alle die Überzeugung an die
Jugend weitergeben, dass äußere Freiheit mit Gewissensfreiheit,
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eine untrennbare Einheit bilden.

Zu Mayr-Nussers 100. Geburtstag werden auch Leute zu seinem Gedächtnis
leichtfertig ihre Stimme erheben, die in der täglichen Praxis das
dauernde Einknicken gegenüber unrechtmäßigen Anmaßungen der Staatsmacht
predigen. Es bedarf aber nicht der opportunistischen Lippenbekenntnisse
bei wohlfeilen Sonntagsreden, sondern des praktizierten aufrechten
Ganges. Das ist mit unendlich viel weniger Opfermut möglich, als
Mayr-Nusser ihn gezeigt hat. Wer diese vergleichsweise bescheidene
Zivilcourage heute vermissen lässt, sollte es sich nicht anmaßen, über
Mayr-Nusser und sein Opfer zu sprechen und sich womöglich noch
politisch auf ihn zu berufen.

Roland Lang
Obmannstellvertreter des Südtiroler Heimatbundes

 

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