Südtiroler Heimatbund Tätigkeitsbericht 2024

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Auch 2024 musste der Südtiroler Heimatbund (SHB) einige ehemalige Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer auf ihrem letzten Weg begleiten.

So verstarb im Jänner Elisabeth (Lilo) Welser, Witwe des Nordtiroler Freiheitskämpfers Kurt Welser. Seit 1959 hatte der Innsbrucker Kaufmann Kurt Welser den österreichischen Zweig des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) organisiert. Ihm stand seine Frau als Mitverschworene und Helferin stets zur Seite.

Kurt Welser bildete zahlreiche Südtiroler in der Sprengtechnik aus und nahm auch aktiv an Sprengungen teil. Er schmuggelte zusammen mit seiner Frau Elisabeth in zahlreichen gefährlichen Autofahrten große Mengen Sprengstoff nach Südtirol. Es war wichtig, dass Elisabeth Welser an diesen Aktionen teilnahm, denn die Carabinieri kontrollierten an der Grenze nicht so genau, wenn eine Frau zusammen mit ihrem Mann offenbar auf Urlaub in den sonnigen Süden reiste. Elisabeth Welser riskierte damit Verhaftung und langjährige Kerkerhaft in Italien.

Im Mai wurde Anna Amplatz, Witwe von Luis Amplatz, zu Grabe getragen. Anna war für Luis, der sich aus Liebe zur Heimat ganz dem Freiheitskampf verschrieben hatte, eine wertvolle Stütze.  So verwickelte sie einmal die Carabinieri, die Luis verhaften wollten, am Eingang des Bauernhofes in ein Gespräch. Luis nutze diese Zeit und entkam ihnen durch ein Fenster.

Die Frau eines Freiheitskämpfers zu sein war für Anna bestimmt nicht leicht. So musste sie sich oft langen Verhören unterziehen, monatelang täglich bei den Carabinieri melden und durfte das Gebiet der Gemeinde Bozen lange Zeit nicht verlassen.

Im Juni verstarb Adolf Pomella. Der 1935 in Kurtatsch geborene Bauer war nach den Anschlägen der Herz-Jesu-Nacht am 17. Juli 1961 von den Carabinieri verhaftet und anschließend schwer gefoltert worden. In den SVP-Archivalien im Landesarchiv in Bozen liegt ein Brief, in welchem Pomella der „Südtiroler Volkspartei“ (SVP) die erlittene Folter beschrieb: Er war mit Zündhölzern, einem Feuerzeug und Zigaretten am Geschlechtsteil, an der Nase und am Arm verbrannt worden. Er wurde mit kochend heißem Öl angeschüttet. Er wurde auch mit einer Zange, einem eisernen Schürhaken und einem Besenstil misshandelt. Dazu kamen schwere Schläge, wobei ein Knie und ein Schienbein verletzt und eine Zehe gebrochen wurden.

Seine Angehörigen hätten keinen sinnigeren Spruch für das Leben des Verstorbenen finden können: „Der ist in tiefster Seele treu/ Wer die Heimat liebt wie du“.

Im Juli wurde Luis Larch zu Grabe getragen. Der aus Dorf Tirol stammende und in Lana aufgewachsene ehemalige Freiheitskämpfer Luis Larch ist nun im Alter von 91 Jahren in Graz verstorben. Wie Luis Larch später in einem Interview erklärte, hatten ihn die schrecklichen Folterungen Südtiroler Häftlinge in den Carabinieri-Kasernen nach der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 dazu bewogen, sich aktiv dem Widerstand anzuschließen.

Er hatte 1964 unter abenteuerlichen Umständen aus Südtirol nach Österreich flüchten müssen, um der drohenden Verhaftung zu entgehen. Luis Larch wurde auch in Österreich gerichtlich verfolgt. Er wurde 1965 festgenommen, Medienberichten zufolge von der Polizei misshandelt und Monate lang ohne Anklageerhebung in Haft gehalten.

Es hätte sich angeboten, im Februar 2024 das 50jährige Jubiläum der Gründung des SHB feierlich zu begehen. Dort wollten wir uns bei vielen Landsleuten und zahlreichen Organisationen wie dem Schützenbund und dem Andreas Hofer Bund für die Unterstützung und der guten Zusammenarbeit bedanken. Das möchte der SHB an dieser Stelle tun.

100 Jahre nach den Vernichtungsmaßnahmen des Faschismus gegen die deutsche und ladinische Kultur des Landes sehen wir uns jedoch damit konfrontiert, dass ein Südtiroler Landeshauptmann mit der neofaschistischen Partei „Fratelli d’Italia“ eine Koalition eingeht und diesem verderblichen Bündnis die bisherigen autonomiepolitischen Zielsetzungen opfert.

Angesichts dieser traurigen Lage hat der SHB auf jegliche Freudenfeier verzichtet, gelobt jedoch, mit allen Kräften weiterhin für die volkstumspolitischen Belange der Heimat einzutreten.

Durchgeführt wurde nur die vorgesehene Ehrung der Freiheitskämpfer. Obmann Roland Lang und die beiden Stellvertreter Meinrad Berger und Luis Pixner legten an der Ehrentafel für Kerschbaumer und seine Mitstreiter im Friedhof von St. Pauls ein Blumengesteck nieder. Ob der Einsatz dieser Männer und Frauen für ein freies Tirol umsonst war? „Nie wieder Faschismus“ stand auf der Schleife.

In einem offenen Brief übte der Südtiroler Heimatbund im März scharfe Kritik an der Zusammenstellung der Landesregierung. Der SHB stützt sich dabei auf die Antwort des Amtes für Rechts- und Gesetzgebungsangelegenheiten des Landes, wonach der italienischen Sprachgruppe nur 1 Landesrat zusteht.

Im neuen Landtag sind fünf Abgeordnete vertreten, die sich der italienischen Sprache zugehörig erklärt haben. Gemäß der Zusammensetzung des neuen Landtages und des Ladinervertreters in der Landesregierung steht den Italienern somit ein Landesrat zu. Zu diesem Schluss kommt auch das Rechtsamt des Landes.

Der SHB sieht in einem zweiten italienischen Landesrat eine eindeutige Verletzung der Autonomie. Als Vertreter der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer, die mit großen Opfern zu dieser Autonomie beigetragen haben, ist es unsere Pflicht auf die Einhaltung der Autonomie zu achten, so SHB-Obmann Roland Lang. Eine Antwort steht noch aus!

Zu einer eindrucksvollen Gedenkfeier wurde die Gedenkfeier im September anlässlich des 60. Todestages von Luis Amplatz auf den Brunner Mahdern. oberhalb von Saltaus im Passeiertal. Der Grieser Schützenleutnant war hier 1964 von Christian Kerbler, eines im Sold des italienischen Geheimdienstes stehenden Nordtirolers, im Schlaf ermordet worden. Der Begleiter von Amplatz, Jörg Klotz, konnte schwerverletzt entkommen.

Die Gedenkfeier, zu der alle Teilnehmer einen eineinhalb Stunden langen steilen Bergpfad bezwingen mussten, war vom Südtiroler Heimatbund, Bezirk Meran- Burggrafenamt und den Schützenkompanien St. Martin in Passeier und der Schützenkompanie Riffian organisiert worden.

In Ihrer Gedenkrede stellte Gudrun Kofler, Abgeordnete zum Tiroler Landtag und Enkelin des Freiheitskämpfers Jörg Klotz fest: „Wie wichtig ist es, Kameraden an seiner Seite zu haben, die für dieselbe Sache kämpfen, wie man selbst! Wie wichtig ist es, Freunde zu haben, die einen immer wieder aufbauen, die einem sagen, dass alles gut wird! Die an unserer Seite sind, wenn es hart wird und wir vielleicht auch mal die Hoffnung verlieren.

In dieser, unserer Gemeinschaft, ist Vertrauen das Band, das uns miteinander verbindet. Es ist das Gefühl, das uns motiviert, uns gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam für unsere Ziele zu kämpfen. Vertrauen ist das Fundament – es gibt uns die Stärke, an die Freiheit Südtirols und die Gerechtigkeit für unsere Sache zu glauben und unsere Ziele beharrlich zu verfolgen.“

Die Kulturfahrt 2024 führte den SHB in die Sprachinsel Lusern, auf den Spuren von Eduard Reut Nicolussi. Neben Sprachforscher Dr. Cristian Kollmann, der bereits im Bus über die Sprachinsel referierte, wartete vor Ort auch der ehem. Bürgermeister Luis (Luigi) Nicolussi Castellan auf die Besucher. 

Dr. Cristian Kollmann stellte bereits im Bus die Frage, woher eigentlich die zimbrischen Luserner stammen. Es gibt eine historische Aufzeichnung aus der Zeit um 1050 nach Christus in der bayrischen Staatsbibliothek von Benediktbeuern. Darin wird erwähnt, dass Bauern aus dem Westen des Stammes Herzogtums Baiern in der Zeit der Hungersnot nach Verona auswanderten. 

Die napoleonischen Kriege (1792 – 1815) bedeuteten für die Zimbern nichts Gutes. Allein zwischen 1820 und 1900 verminderte sich die Zahl der deutschen Ortschaften um rund 90 Prozent. Der Dolomitenkrieg mit seinem Frontverlauf bei Lusern und erst recht der Faschismus und die Option taten ihr Übriges.

Herzlich war die Begrüßung vor dem Dokumentationszentrum in Lusern durch Altbürgermeister Luis Nicolussi Castellan. Vorzüglich war das Mittagessen im Restaurant Ferdy, ehemals Gasthaus Andreas Hofer im Zentrum von Lusern. Die Wirtin Loredana erzählte gerne in deutscher Sprache die Geschichte ihres Betriebes, in dem jetzt ihr Sohn für die Gäste kocht.

Dies sind nur einige Aktivitäten des SHB, verschiedene Presseaussendungen, das Verteilen der Josefi-Küchlein zu Ehren unseres Landespatrons im Seniorenheim von Terlan und die gemeinsam mit dem Schützenbund veranstaltete Gedenkfeier in St. Pauls seien noch schnell erwähnt!

Dem Bundesausschuss und allen, denen die Freiheit unseres Landes noch ein echtes Anliegen ist und dem SHB auch 2024 mit Rat und Tat beigestanden sind, sei zum Abschluss herzlich gedankt. Nicht zuletzt auch jenen, die mit ihren Spenden unseren Einsatz möglich machen. Vergeltsgott!

Roland Lang

Obmann des Südtiroler Heimatbundes

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