Alljährlich werden Nord- und Südtiroler Ehrenzeichen an Persönlichkeiten aus beiden Landesteilen verliehen. Ein Blick auf die Liste der Geehrten zeigt, dass sich darunter Vertreter des öffentlichen Lebens und der Politik sowie einflussreiche Leute aus den Bereichen der Wirtschaft, der Interessensverbände und der Medien befinden.
Das hat in der letzten Zeit zunehmend Unmutsäußerungen aus der
Bevölkerung bewirkt. Bemängelt wurde, dass uneigennütziger Einsatz für
das Gemeinwohl zu wenig berücksichtigt wird und dass langjährige Inhaber
öffentlicher oder politischer Ämter für ihre ohnedies gut bezahlte
Tätigkeit auch noch extra geehrt werden. Einige Kritiker äußerten den
Verdacht auf parteipolitische Protektion und Freundeswirtschaft.
Das mag in einzelnen Fällen stimmen, in anderen nicht. Zudem können auch
Inhaber öffentlicher oder politischer Ämter über ihre beruflichen
Verpflichtungen hinaus Leistungen erbracht haben, die eine besondere
Ehrung rechtfertigen.
Ich sehe das Hauptproblem in der intransparenten Art der Verleihung der Landesauszeichnungen. Derzeit läuft das Verfahren beispielsweise für die Verleihung des Verdienstkreuzes des Landes Tirol bei uns so ab:
Man bringt das mit einem ausgefüllten Formular begründete Ansuchen bei
dem Tiroler Landesinstitut, Geschäftsstelle Bozen, ein. Dann hört man
nichts mehr davon, bis man in der Zeitung lesen kann, ob der oder die
Vorgeschlagene nun in der Liste der Auszuzeichnenden aufscheint. Eine
Begründung für eine Ablehnung erfährt man nicht.
Ich habe daher im Namen des Bundesausschusses des Südtiroler
Heimatbundes (SHB), dessen Obmann ich bin, das Kulturinstitut um
Aufklärung über die Vorgangsweise gebeten. Ich wollte vor allem wissen:
„Werden die Südtiroler “Kandidaten” bereits in Bozen auserkoren und dann
in Innsbruck nur bestätigt?“
Am 31. Juli 2012 habe ich von Dr. Peter Silbernagel per Email folgende Auskunft erhalten:
„Sehr geehrter Herr Lang!Bezugnehmend auf Ihre Anfrage darf ich Ihnen wie folgt mitteilen; nach
Erhalt der Vorschläge (die jedes Jahr natürlich die Anzahl der
Auszeichnungen bei weitem übersteigen) werden diese im Rahmen einer
Kuratoriumssitzung behandelt; selbiges setzt sich aus insgesamt acht
Personen zusammen: drei davon werden von Nordtiroler Seite namhaft
gemacht, den Vorsitz führt die amtierende Landesrätin/der amtierende
Landesrat auf Südtiroler Seite; die vom Kuratorium ausgewählten Personen
werden schließlich dem Landeshauptmann von Südtirol vorgelegt, der dann
die endgültige Entscheidung trifft; bitte haben Sie Verständnis, wenn
wir die Namen der Kuratoriumsmitglieder nicht bekannt geben, da wir sie
vor direkter Einflussnahme schützen möchten; es handelt sich dabei aber
durchweg um verdiente Persönlichkeiten.In der Hoffnung, Ihnen mit meinen Ausführungen gedient zu haben, grüßt Sie herzlich im Namen des Südtiroler Kulturinstituts
Peter Silbernagl“
Soweit die Begründung des Kulturinstitutes. Zunächst einmal ist
erhellend, dass niemand geehrt werden kann, der dem Herrn
Landeshauptmann nicht genehm ist. Er trifft die letzte Entscheidung.
Nicht ohne Einfluss auf die Entscheidung dürfte auch die amtierende
Landesrätin sein, die in dem anonymen Kuratorium, welches die zu
Ehrenden auswählt, den Vorsitz führt.
Das Kuratorium selbst ist eine löbliche Geheimgesellschaft „verdienter
Persönlichkeiten“. Es ist nicht bekannt, ob und wieweit seine Mitglieder
von der Gunst der Politik abhängig sind.
Wenn man den von dem Kulturinstitut gelieferten Grundsätzen allgemein
folgen wollte, müsste man jegliches Entscheidungsgremium im Lande und
jede Entscheidungsfindung unter Geheimhaltung stellen. Eigentlich
dürften dann nicht einmal die Mitglieder des Landtages namentlich
bekannt sein, um sie so „vor direkter Einflussnahme“ der Bürger zu
schützen. Und überall hätte der Landeshauptmann die letzte Entscheidung,
die er öffentlich nicht zu begründen braucht.
Dass das mit einer bürgernahen, offenen und demokratischen Verwaltung nichts zu tun hat, liegt auf der Hand.
Unsere Bürger werden aber selbstbewusster und meinen, das das Land kein
absolut regiertes Fürstentum und auch nicht Privateigentum der Politiker
ist. Man verlangt mit Recht Einsicht in alle Vorgehensweisen.
Im Zeitalter des Internet kann diese Durchsichtigkeit in Bezug auf die Landesauszeichnungen leicht herbeigeführt werden:* Man stelle die Anträge auf Ehrung mit den Begründungen und die Namen der Antragsteller in das Internet.
* Man nenne im Internet die begutachtenden und entscheidenden Personen.
* Man veröffentliche die Entscheidung über die einzelnen Anträge samt Begründung im Internet.
Der Einwand des Datenschutzes kann hier nicht greifen. Wer seine
Verdienste nicht öffentlich genannt haben will, kann auch auf eine
öffentliche Ehrung keinen Wert legen.
Wenn diese Durchsichtigkeit geschaffen wird, kann der interessierte
Bürger den Wert jeder Ehrung selbst beurteilen. Es würde sich so
Missbrauch über kurz oder lang von selbst erledigen. Jeder Orden erhält
das ihm zustehende öffentliche Ansehen.
Der gesetzlich verankerte Unsinn, dass Politiker wie der Präsident des
Nordtiroler Landtages und der Nordtiroler Landeshauptmann mit der
Amtsernennung automatisch Ehrenzeichenträger auf Lebenszeit werden,
sollte jedoch rasch abgeschafft werden.
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)