„Letzter Abschied von Elisabeth Welser – Es hat uns die traurige Nachricht erreicht, dass Elisabeth Welser am 23. Jänner 2024 in Mieders verstorben ist. Die 1930 Geborene war die Frau von Kurt Welser, des bereits im Jahre 1965 einem Bergunfall am Zinalrothorn in der Schweiz zum Opfer gefallenen Nordtiroler Freiheitskämpfers für Südtirol.“
Seit 1959 habe der Nordtiroler Kaufmann Kurt Welser zusammen mit anderen Mitstreitern den österreichischen Zweig des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) organisiert. Ihm sei seine Frau als Mitverschworene und Helferin stets zur Seite gestanden.
Kurt Welser habe zahlreiche Südtiroler in der Sprengtechnik ausgebildet und aktiv an Sprengungen teilgenommen. In zahlreichen gefährlichen Autofahrten lieferte er zusammen mit seiner Frau Elisabeth große Mengen Sprengstoff nach Südtirol.
„Es war wichtig, dass Elisabeth Welser an diesen Aktionen teilnahm, denn die Carabinieri kontrollierten an der Grenze nicht so genau, wenn eine Frau zusammen mit ihrem Mann offenbar auf Urlaub in den sonnigen Süden reiste. Elisabeth Welser riskierte damit natürlich Verhaftung und langjährige Kerkerhaft in Italien.
Zu ihrer Verfolgung kam es jedoch in Österreich. In einem Prozess in Graz wurden am 7. Dezember 1961 Elisabeth Welser zu 6 Monaten Kerker und ihr Mann Kurt zu einem Jahr Kerker verurteilt. Nach der Urteilsverkündung stimmten Elisabeth und Kurt Welser sowie die anderen Verurteilten die Tiroler Landeshymne „Zu Mantua in Banden“ an und das anwesende Publikum fiel ein.
Gegen diese Anklageerhebung hatte die Nordtiroler Landesregierung vergeblich protestiert und für die Enthaftung von Kurt Welser sogar eine Kaution angeboten. Er und seine Frau Elisabeth mussten in der Folge aber aufgrund einer von der Nordtiroler Landesregierung geforderten und erreichten Begnadigung die Strafe nicht verbüßen.
Elisabeth Welser hat ihre Haltung auch in späteren Jahren nie verleugnet und aus Südtirol geflüchteten Freiheitskämpfern Aufenthalt und jegliche mögliche Unterstützung gewährt.
Wir nehmen mit Trauer und Dankbarkeit von dieser mutigen Patriotin Abschied und sprechen ihrer Familie, besonders den Töchtern Katharina, Verena und Cordula unser Beileid aus.
Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB)“
Dokumentation des „Südtiroler Heimatbundes“ (SHB):
Elisabeth und Kurt Welser – mutige Streiter für die Freiheit Südtirols
1953: Eine verzweifelte Warnung – Der „Todesmarsch“ der Deutschen und Ladiner Südtirols
Am 28. Oktober 1953 sah sich Kanonikus Michael Gamper, der große Vorkämpfer für die Rechte seiner Volksgruppe, veranlasst, in den „Dolomiten“ warnend zu schreiben: „Die gewollte Unterwanderung unseres Volkes geht unaufhaltsam weiter. … Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler seit 1945 uns befinden, wenn nicht noch in letzter Stunde Rettung kommt.“
Ab 1956: Das Entstehen des „Befreiungsausschusses Südtirol“ BAS
Ab 1956 hatte sich unter der Leitung des Frangarter SVP-Ortsobmannes, Kleinbauern und Gemischtwarenhändlers Sepp Kerschbaumer der „Beratungsausschuss Südtirol“ (BAS) gebildet, der entschlossen war, notfalls durch demonstrative Anschläge die internationale Öffentlichkeit aufzurütteln.
Der damalige SVP-Ortsobmann Sepp Kerschbaumer versuchte zunächst mit friedlichen Mitteln eine Wende herbeizuführen. Er hisste demonstrativ Tiroler Fahnen an und vor der Frangarter Ortskirche. Daraufhin erschienen die Carabinieri und beschlagnahmten die Fahnen.
Kerschbaumer wurde wegen „aufrührerischer Kundgebung“ zu 10 Tagen Haft verurteilt. (Bericht der SVP-Wochenzeitung „Der Volksbote“ am 20. Juli 1957)
1958 sprach der SVP-Ortsobmann Kerschbaumer bei seinem Parteiobmann Silvius Magnago vor und beklagte die Ergebnislosigkeit der Verhandlungen mit den Italienern. Er erklärte, dass Anschläge „auf Objekte, nicht auf Menschen“ durchgeführt werden müssten. Magnago erklärte, dass er Kerschbaumer nicht die Hände zubinden könne.
(Siehe: Josef Fontana / Hans Mayr: „Sepp Kerschbaumer“, Bozen 2000, S. 102f)
Sepp Kerschbaumer war mit dem Nordtiroler Landtagsabgeordneten und späteren Landesrat Rupert Zechtl (SPÖ) befreundet, der voll in die Pläne des BAS eingeweiht wurde und darüber brieflich an Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ) nach Wien berichtete. Diese Briefe sind im Kreisky-Archiv in Wien erhalten und dokumentieren die Mitwisserschaft der „hohen Politik“.
Ab 1957: Der Nordtiroler Zweig des BAS
In Nordtirol hatte der aus einer der bekanntesten alteingesessenen Tiroler Familien stammende Wolfgang von Pfaundler seit 1957 den Nordtiroler Zweig des BAS aufgebaut. Zu Kriegsende im Jahre 1945 hatten Wolfgang von Pfaundler und seine Freunde Dr. Helmut Heuberger und Fritz Molden Innsbruck vor der Zerstörung gerettet. Ihre bewaffnete Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime hatte den Abzug der letzten Wehrmachtstruppen erzwungen und damit eine sinnlose Verteidigung Innsbrucks verhindert, welche mit großer Sicherheit zu einer verheerenden amerikanischen Bombardierung der Stadt geführt hätte.
Wolfgang von Pfaundler war Journalist, Volkskundler, Schriftsteller und Fotograf. 1958 veröffentlichte er in Abstimmung mit der Nordtiroler Landesregierung und der Südtiroler Volkspartei als Herausgeber ein halbamtliches Weißbuch zur Südtirolfrage: „Südtirol“ mit dem treffenden Untertitel „Versprechen und Wirklichkeit“, mit Beiträgen namhafter Fachleute und Politiker.
Zu Pfaundlers Mitstreitern gehörte das Innsbrucker Künstlerehepaar Klaudius und Herlinde Molling. Am 13. September 1959 fand in Innsbruck die große „Tiroler Landesfeier 1809 – 1959“ statt. Als sich der Landesfestzug an der Ehrentribüne vorbeibewegte, ertönte von einem gegenüber liegenden Gebäude ein lauter Böllerknall und ein großes Transparent mit einer klaren Forderung an die Politik wurde entrollt – von Kurt Welser und dem Ehepaar Molling.
Im Anschluss an eine 1809-Feier in Sterzing trafen sich am 27. September 1959 die Männer des BAS-Südtirol mit der Nordtiroler BAS-Gruppe. Sie vereinbarten eine enge Zusammenarbeit.
Dem Nordtiroler BAS gehörten neben Wolfgang Pfaundler auch der Universitätsassistent Helmut Heuberger, der Landesrat Aloys Oberhammer (ÖVP), der Kaufmann Kurt Welser, der Schriftsteller Heinrich Klier, das Ehepaar Klaudius und Herlinde Molling und weitere Mitstreiter an. Ihnen standen in Wien der mächtige Zeitungsverleger Fritz Molden, ebenfalls ein ehemaliger Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, und der spätere ORF-Chef Gerd Bacher als Mitverschworene zur Seite.
Es kam auch zu Treffen mit dem Landtagsabgeordneten und späteren Landesrat Rupert Zechtl (SPÖ), der Kontakte und Gespräche mit Außenminister Kreisky (SPÖ) vermittelte. Bezeugt sind auch Äußerungen von Kreisky, wonach es „auf ein paar Masten mehr oder weniger“ nicht ankommen solle.
Ab 1960: Geheime Sprengstofftransporte nach Südtirol – zur Vorbereitung des großen Schlages der „Feuernacht“
Der Nordtiroler Kaufmann Kurt Welser, dessen Mutter aus Südtirol stammte, wurde zur treibenden Kraft des BAS in Nordtirol. Er hatte 1957 auf der Großkundgebung von Sigmundskron die späteren Freiheitskämpfer Sepp Kerschbaumer und Luis Amplatz kennengelernt, erinnerte sich später Elisabeth Welser. Zu Hause berichtete er: „Dann hat es geheißen, in Südtirol brauchen sie Unterstützung. Sie wollen, dass wir ihnen helfen.“ (Gesprächsprotokoll Elisabeth Welser vom 13. November 2009. Wiedergegeben in: Birgit Mosser-Schuöcker/Gerhard Jelinek: „Herz Jesu Feuernacht – Südtirol 1961“, Innsbruck-Wien 2011, S. 50)
Auf dem Plumeshof in Natters oberhalb von Innsbruck, dem Hof der Mutter von Kurt Welser, wurden künftige Anschläge beraten und Südtiroler im Sprengen ausgebildet. Kurt Welser beschaffte Sprengstoff in großen Mengen und brachte bereits am 15. Juni 1960 zusammen mit Klaudius Molling die erste Fracht nach Südtirol. Zusammen mit seiner Frau Elisabeth, die er liebevoll „Lilo“ nannte, sowie mit Herlinde Molling führte Kurt Welser per PKW zahlreiche weitere Sprengstofftransporte durch. Nahezu wöchentlich wurde eine Lieferung durchgeführt.
Bei den Transporten wurden jeweils bis zu 300 kg befördert. (Näheres in: Hans Karl Peterlini: „Südtiroler Bombenjahre“, Bozen 2005, S. 81ff)
Die Carabinieri hielten Kurt Welser und seine jeweilige Begleiterin lediglich für Italien-Urlauber oder für ein verliebtes Paar. Sie kontrollierten daher das Auto nicht gründlich, unter dessen Motorhaube oder in einem versteckten Innenraum der Sprengstoff verborgen war. Trotzdem war das Risiko enorm hoch.
Die Familie Molling war von Kurt Welser auch in die Planungen des BAS eingebunden. Darüber berichtet Herlinde Molling ausführlich in ihrem Dokumentarwerk „So planten wir die Feuernacht“ (Bozen 2011).
1961: Kurt Welser und seine Freunde sprengten ein Mussolini-Denkmal
Um die Weltöffentlichkeit auf das seit mehr als 40 Jahre andauernde Unrecht aufmerksam zu machen, sprengte ein Kommando des BAS am 30. Jänner 1961 den ,,Aluminium-Duce“ bei Waidbruck. Das metallene Reiterstandbild mit den Zügen des italienischen Diktators Mussolini war am 18. November 1938 dem ,,Genius des Faschismus“ gewidmet worden und blieb seit diesem Zeitpunkt ein Symbol faschistischer Unterdrückung und Unduldsamkeit.
Zusammen mit dem Bozener Kaufmann und Bergsteiger Martl Koch und mit der Hilfe von vier jungen Nord- und Südtirolern führten der Innsbrucker Alpinist und Schriftsteller Heinrich Klier und der Nordtiroler Kaufmann Kurt Welser trotz scharfer Bewachung die Sprengung durch.
In Südtirol wurde ein Flugblatt der Südtiroler Freiheitskämpfer verbreitet. Das „T“ im Kreis sollte das vereinte Tirol symbolisieren.
1961: Ein Vertreibungsgesetz drohte – Der große Schlag der „Herz-Jesu-Nacht“ vom 12. auf den 13. Juni
Am 27. April 1961 trieb die römische Politik die Unterdrückung der Südtiroler auf die Spitze. Ein von den Senatoren der „Democrazia Cristiana“ (DC) eingebrachter Antrag zur Novellierung des italienischen Staatsbürgerschaftsgesetzes wurde im Senat mit einer großen Mehrheit angenommen. Dieser Gesetzesentwurf trug den Titel „Zur Ausbürgerung italienischer Staatsbürger, die sich der Republik gegenüber untreu verhalten“.
Dieses Gesetz sollte den Entzug der Staatsbürgerschaft von ehemaligen Südtiroler Optanten auf dem Verwaltungsweg ermöglichen. Das betraf die überwiegende Mehrheit der erwachsenen Bevölkerung deutscher und ladinischer Sprache. Es fehlte nur noch die Bestätigung durch die Abgeordnetenkammer.
Am 1. Juni 1961 traf sich Kurt Welser mit den Kameraden des Südtiroler BAS in Zernez in der Schweiz. Dort wurde die Durchführung der „Feuernacht“ beschlossen, die im Juni 1961 dieses schändliche Projekt auf den Müllhaufen der Geschichte werfen sollte.
In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1961 sprengte der BAS 37 Hochspannungsmasten und beschädigte einige weitere schwer. Als Zeitpunkt war die „Herz-Jesu-Nacht“ gewählt worden, die an das Gelöbnis der Tiroler Landstände vom 1. Juni 1796 erinnerte, fortan das Fest des Herzen Jesu feierlich begehen zu wollen, wenn Tirol von drohender Feindesgefahr befreit werden sollte.
Das Ziel der BAS-Anschläge war, unter Schonung von Menschen und Privateigentum die Weltöffent1ichkeit auf das ungelöste Südtirolproblem aufmerksam zu machen und dadurch auf Italien Druck auszuüben.
Der Südtiroler BAS hatte Unterstützung aus Nordtirol gehabt. Am Morgen des 11. Juni war in Innsbruck ein Autobus, voll mit Frauen und Männern die wie gewöhnliche Sonntagsausflügler aussahen, nach Südtirol losgefahren. Unter ihnen waren Waffenstudenten und katholische Verbindungsstudenten aus Innsbruck. In Bozen trafen sie sich mit Mitgliedern der Bozener BAS-Gruppe und halfen, insgesamt etwa zwei Dutzend Hochspannungsmasten zu „laden“.
Kurt Welser und Heinrich Klier waren mit dem PKW nach Südtirol gekommen und hatten eigenhändig Sprengladungen gelegt. Herlinde und Klaudius Molling sprengten einen Mast zwischen Terlan und Gargazon. (Hans Karl Peterlini: „Südtiroler Bombenjahre“, Bozen 2005, S. 122ff)
1961: Die Antwort Roms – Verhaftungswelle und schreckliche Folterungen
Über Südtirol rollte nun eine Verhaftungswelle. Mehr als 100 patriotische Südtiroler, darunter SVP-Ortsobmänner, Schützenoffiziere und Feuerwehrleute, wurden in die Carabinierikasernen verschleppt. Dort fanden schreckliche Folterungen statt, um den Misshandelten die Namen von „Komplizen“ zu entreißen.
Dies ist aufgrund authentischer Berichte der Gefolterten und anhand weiterer Unterlagen eingehend in einer Dokumentation beschrieben.
Nur wenige Zellen des BAS hatten die Verfolgungswelle überstanden, einigen Freiheitskämpfern war es jedoch gelungen, in den Untergrund zu verschwinden oder nach Österreich zu flüchten.
1961: Das letzte Aufgebot: Studenten aus Österreich und Deutschland
In dieser schlimmen Situation entschloss sich Kurt Welser, auf die Hilfe deutscher und österreichischer Studenten zurückzugreifen, unter denen die Empörung über die öffentlich gewordenen Folterungen groß war. In seinem Auftrag wurden am 10. September 1961 Brandflaschen gegen Sachwerte ohne Gefährdung von Menschenleben eingesetzt. Es kam aufgrund technischer Defekte zu Verhaftungen durch die Carabinieri.
Auch der österreichische Student Helmut Golowitsch wurde in Trient festgenommen und verbrachte 2 Jahre und 3 Monate hinter römischen Gittern, bis er mit den anderen verhafteten Studenten aufgrund einer allgemeinen Amnestie vorzeitig freigelassen wurde. In der Haft hatte er gefolterte Südtiroler kennen gelernt, die ihm ihre Folterspuren an Armen und Beinen gezeigt hatten.
1961: Haftbefehle und Prozess gegen Freiheitskämpfer in Österreich
Die von Italien an Österreich übergebenen Unterlagen zu den Brandanschlägen vom 10.September 1961 führten zu Haftbefehlen in Österreich. Auch Kurt Welser wurde am 9. Oktober 1961 von der Staatspolizei festgenommen. Gegen ihn und seine Frau Elisabeth („Lilo“) sowie gegen weitere drei Angeklagte wurde am 6. und 7. Dezember 1961 in Graz ein Prozess wegen Beschaffung und Lieferung von Sprengstoff nach Südtirol durchgeführt.
Kurt Welser wurde zu 1 Jahr „schweren und verschärften Kerkers“ verurteilt, Elisabeth Welser zu 6 Monaten. Die Strafe musste aufgrund ihrer Berufung bis zu dem Obersten Gerichtshof nicht angetreten werden und wurde in der Folge durch eine Amnestie getilgt.
Für eine Begnadigung hatte sich auch der Nordtiroler Landeshauptmann Eduard Wallnöfer in einem Brief an den österreichischen Bundespräsidenten eingesetzt.
Der Plumeshof wurde zur Zufluchtsstätte für geflüchtete Südtiroler
Kurt Welser und seine Frau Elisabeth unterstützten weiterhin den Südtiroler Freiheitskampf. Kurt Welser hielt engen Kontakt zu den nach Österreich geflohenen Freiheitskämpfern, wie zum Beispiel Luis Amplatz, Weinbauer aus Bozen, und Georg Klotz, Schmied aus dem Passeier. Diese gingen über die „grüne Grenze“ wiederholt in den Einsatz nach Südtirol und die Familie Welser unterstützte sie.
Die Welser-Mutter Hedwig besaß oberhalb von Innsbruck in Natters ein schönes Gut, den Plumeshof. Dort nahm sie geflüchtete Südtiroler Freiheitskämpfer auf und bot ihnen eine „zweite Heimat“. Auf dem Gelände dieses Hofes bildete Kurt Welser auch zahlreiche Südtiroler für den Freiheitskampf aus.
Das nachstehende Bild zeigt die Familie Welser mit den von den italienischen Besatzern gefürchteten „Pusterer Buam“ auf dem Plumeshof.
Viele geflüchtete Südtiroler fanden in der Innsbrucker Wohnung der Familie Welser Zuflucht. Die Tochter Verena Welser erinnert sich: „Was mir noch einfällt zu unserer Mutter ist, dass sie mir oft erzählt hat (die Feuernacht war nämlich nur ein Monat nachdem ich geboren worden bin und deshalb habe ich sie öfter diesbezüglich befragt), dass sie in dieser Zeit sehr viele geflüchtete Südtiroler in der Innsbrucker Wohnung beherbergt haben. Wir waren zu dieser Zeit am Plumes bei unserer Oma und die Wohnung in Innsbruck war sozusagen nur für die geflüchteten Südtiroler zur Verfügung. Zudem waren auch am Plumes geflüchtete Männer aus Südtirol. Mama hat oft darüber geredet, wie viel Bettwäsche sie damals zu waschen hatte und welch ein intensives Kommen und Gehen das damals war, welches sie alles mit einem Neugeborenen managen musste!“ (Mitteilung von Verena Welser vom 14. Februar 2024 an Roland Lang, den Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“)
1964: Verurteilung im großen Mailänder Südtirol-Prozess
Am 9. Dezember 1963 begann in Mailand ein großer Südtirol-Prozess gegen 94 Angeklagte – 87 Südtiroler, 6 Österreicher und ein Bundesdeutscher.
Nicht alle Angeklagten waren bei dem Prozess anwesend. Es wurden einige Österreicher und nach Österreich geflüchtete Südtiroler in Abwesenheit angeklagt und verurteilt. Sie hatten zumeist nie eine Vorladung erhalten und von dem Verfahren gegen sie nur aus den Zeitungen erfahren. In der Nacht vom 16. Auf den 17 Juli 1964 fällte das Schwurgericht das Urteil. Insgesamt wurden 431 Jahre Haft verhängt. Kurt Welser wurde in Abwesenheit zu 23 Jahren und 10 Monaten Kerker verurteilt.
Nordtirols Landeshauptmann Eduard Wallnöfer erklärte zu dem Urteil von Mailand: die Angeklagten hätten „aus lauteren Motiven“ gehandelt. Letztlich habe das Vorgehen Italiens zu den Sprengstoffattentaten geführt. „In Mailand ist das italienische System in Südtirol unter Anklage gestanden.“ („Wochenpresse“).
1965: Anklage in Österreich
Am 10. Mai 1965 stand Kurt Welser zusammen mit weiteren 21 angeklagten Österreichern in Graz vor einem Schöffengericht, um sich wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz zu verantworten.
Die in Bozen von dem SVP-Landtagsabgeordneten Hans Dietl herausgegebenen „Südtiroler Nachrichten“ berichteten am 26. Mai 1965 über das Auftreten von Kurt Welser vor Gericht:
Im Namen aller Angeklagten sprach Kurt Welser auch das Schlusswort. Er sagte, wenn er in seinen Bergen sei und hinübersehe ins südliche Tirol, dann tue dies im Herzen immer tief weh. „Tirol isch lei oans“, heiße es in einem alten Lied – das Land sei aber immer nur dann „Eins“, wenn es nicht durch eine Unrechtsgrenze zerrissen ist. „Unsere Kraftquelle aber und unser Herz ist Südtirol, dort sind wir daheim und dort gehören wir hin“, rief Welser aus. Er schloss mit dem Appell an das Gericht: „Urteilen sie für Österreich!“
Am 21. Mai 1965 erklärte sich das Schöffengericht für unzuständig, da es sich bei den angeklagten Taten um politische Delikte handle, für die das Schwurgericht zuständig sei.
Der Prozess vor den Geschworenen begann in Graz am 20. September 1965. Kurt Welser konnte an diesem Verfahren nicht mehr teilnehmen, er war bei einem Bergunfall tödlich verunglückt. Auf seinem leeren Platz lag ein in den Tiroler Farben gehaltener Nelkenstrauß mit einer schwarzen Schleife.
Die Angeklagten beriefen sich auf das Widerstandsrecht gegen staatliche Unrechtshandlungen. Der Schwurgerichtsprozess endete am 14. Oktober 1965 mit einem sensationellen rechtskräftigen Freispruch für alle Angeklagten.
Sämtliche Angeklagten, die Verteidiger und die Geschworenen sangen nach der Urteilsverkündung das „Andreas-Hofer-Lied“. (Bergisel-Bund (Hrsg.):„Südtirol – Berichte und Dokumente. Der große Grazer Südtirolprozess vor Schöffen und Geschworenen“, Folge 2-3/ Innsbruck 1965, S.67)
1965: Kurt Welser fand den Bergtod
Kurt Welser war ein begeisterter Bergsteiger. Am 15. August 1965 fand er am Zinalrothorn in der Schweiz den Bergtod.
21. August 1965 wurde Kurt Welser auf dem Wiltener Friedhof in Innsbruck zu Grabe getragen. Mehr als 1.500 Freunde gaben ihm die letzte Ehre. Sein Bergkamerad und Mitstreiter Heinrich Klier nahm von ihm mit den Worten Abschied: „Kurt Welser hat die beiden Begriffe, Freiheit und Rechtlichkeit, mit Leben und Wärme erfüllt, und er hat sich mutig für ihre Durchsetzung im Süden Tirols eingesetzt.“
Der Friedhof konnte nicht alle Kränze fassen, so dass viele auf der Mauer aufgelegt werden mussten. Kranzschleifen trugen folgende Aufschriften:
„In treuem Angedenken – die politischen Gefangenen Südtirols”,
„Wir führen es zu Ende. BAS”,
„Grüß mir meinen Luis! Anna Amplatz”,
„Deine Liebe zur Heimat lebt in uns weiter – Deine Pusterer Buben”,
„Dem Streiter für die Einheit Tirols. Die Südtiroler Freiheitskämpfer.”