Ich begrüße alle Tirolerinnen und Tiroler, Marketenderinnen und Schützen aus allen Teilen Tirols, Heimatbundmitglieder und Volksvertreter! Ein besonderes Willkommen an Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Olt, der die Gedenkrede halten wird.
En salüde y benodü a düc i scizeri y la jont de dötes les vals dla Ladinia.
Un Benvenuto ai Tirolesi di madrelingua italiana, alle Marketenderinnen e ai Schützen! Grazie per la vostra partecipazione.
Liebe Anwesende!
Jedes Jahr kommen wir zu diesem ernsten, würdigen Gedenken an Sepp Kerschbaumer zusammen. Wir gedenken eines beispielhaften Mannes, der sein Leben selbstlos in den Dienst der Heimat stellte und Opfer der Staatsgewalt wurde.
Die Männer des BAS handelten in einer Notsituation, die keinen anderen Ausweg mehr ließ. Es ist heute notwendig, wieder daran zu erinnern, wo die volkstumspolitischen Grundsätze immer mehr verflachen.
„Eine Minderheit darf nie zufrieden sein“, pflegte Silvius Magnago häufig zu sagen. Er sprach von der Gefahr der moralischen Verfettung. Manche Entwicklungen in der Schul-und Kulturpolitik geben Anlass zu ernsten Fragen.
Immer wieder erinnern europäische Politiker an das Friedens- und Demokratieziel der 1957 in Rom gegründeten Europäischen Gemeinschaft. Es war ein großes Werk der Kriegsgeneration. Aus aktuellem Anlass muss man sich aber fragen, wie es heute um diese Werte wirklich steht.
Der Freiheitswille des katalanischen Volkes wird mit den Mitteln des Polizeistaates unterdrückt, doch die europäischen Regierungen ermuntern die offensichtlich franchistisch gesinnte Madrider Regierung, mit politisch motivierten willkürlichen Verhaftungen, martialischen Anklagen und nationalen Haftbefehlen den legitimen Freiheitswillen des katalanischen Volkes abzuwürgen.
In den spanischen Gefängnissen befinden sich Mitglieder der katalanischen Regierung als politische Häftlinge, willkürlich festgesetzt durch eine Staatsmacht, die sich mitten in Europa als Polizeistaat entpuppt. Andere, wie der Präsident der katalanischen Regierung, werden mit nationalem Haftbefehl wie Verbrecher gesucht.
Den politischen Häftlingen von Katalonien und ihren Angehörigen wie dem ganzen katalanischen Volk sprechen wir hier vor der Gedenktafel unserer Freiheitskämpfer unsere menschliche und politische Solidarität aus.
Ein Dank gebührt der Schützenkompanie Sepp Kerschbaumer, die unsere Solidarität mit einer riesigen katalanischen Fahne an der Auffahrt nach St. Pauls eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Wir übersehen auch nicht, dass eine maßgebende Südtiroler Partei in ihrer Presseerklärung zum Knüppelsonntag vom 1. Oktober 2017 in Katalonien zwar die von Madrid befohlenen Schlagstockaktionen gegen friedliche Wähler bedauerte, aber der Madrider Rechtsregierung im Übrigen durchaus Recht gab.
Bedenkenlos werden Verfassungsnormen gutgeheißen, die Minderheiten- und Nationalitätenrechte missachten. Das weist auf einen Verfall des politischen Grundsatzdenkens.
1957 hatte man noch Mut und hielt auch am Selbstbestimmungsrecht des Südtiroler Volkes fest. Sigmundskron stand nämlich keineswegs im Einklang mit der italienischen Verfassung, die kein Los von Trient vorsah.
Wie hält es die österreichische Regierung mit diesem unverzichtbaren Recht des Südtiroler Volkes auf Freiheit? Sind wir Südtiroler ihr schon lästig geworden? Unser Vaterland hätte jetzt auch auf einer völlig souveränen Ebene eine gute Gelegenheit, den interessierten Südtirolern den österreichischen Pass zu verleihen.
im Sinne der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer und politischen Häftlinge rufe ich als Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ den Politikern aller Südtiroler und österreichischen Parteien zu: Überwindet in dieser grundsätzlichen Frage die trennenden Parteigrenzen! Übt Solidarität und fordert diese auch von den österreichischen Kollegen ein!
Nicht nur eure jetzigen Wähler, sondern auch die künftigen Generationen werden es euch danken!
Der Weg zur Lösung der Südtirolfrage ist nicht zu Ende. Die Autonomie ist keine Selbstbestimmung. Auch darum ist es angemessen, das historische Bewusstsein zu vertiefen und in die offizielle Anerkennung auch den Widerstand der 60-er Jahre in das gemeinsame Tiroler Landesbewusstsein zu rücken, wie es für den Freiheitskampf von 1809 längst selbstverständlich ist.