Der „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) gedenkt“ eines ehemaligen politischen Häftlings, der Schweres hatte erleiden müssen:
Am 17. April 2022 verstarb nach schwerer Krankheit der 1940 geborene Johann Thaler, der „Leitar-Hons“ aus Unterreinswald, einem Seitental des Sarntales. Er hatte zusammen mit anderen Familienangehörigen in der Zeit des Freiheitskampfes Folter erleiden und ungerechtfertigte Haft auf sich nehmen müssen.
Im Jahr 1961 hatte ein von den Carabinieri als Spitzel angeheuerter deutscher Krimineller namens Robert Henckelmann den „Agraterbauern“ Hans Thaler fälschlicherweise als Südtiroler Freiheitskämpfer denunziert.
Am 12. August 1961 donnerten Kolbenschläge gegen die Hoftür. Die Carabinieri waren da und holten den Bauern und seine drei Söhne Christoph, Georg und Johann.
In der Carabinieri-Kaserne in Bozen wurden sie schwer misshandelt. Der damals 21 Jahre alte Sohn Johann Thaler hat über das, was ihm, seinem Vater und seinen Brüdern durch die Carabinieri angetan wurde, in einem Brief aus dem Gefängnis berichtet:
„Gefängnis Bozen, 18.9.1961
… um 5 Uhr Morgens des 12. 8. wurden wir von den Carabinieri aus den Betten geholt. ich mein Bruder u. Vater sowie andere 17 Personen aus der Umgebung wurden zuerst nach Sarnthein u. anschliessent zur Carabinieri Caserne von Bozen gebracht. Um 2 Uhr früh des 13. 8. begannen die Verhöre. … Darauf wurten unser 6 Personen darunter mein Vater u. Bruder an die Wand gestellt. Gegen Mittag fiel mein Vater, 54 alt, vor Schwächen u. Müdigkeit zu Boden.
2 oder 3 Carabinieri stürssten sich auf ihn u. mit Geschrei u. Fusstritten in die Brust u. Gesäß, wurde er aufgerisen. …
Anschliessent mußten wir weiter mit Hände in die Höhe an die Wand stehen bis 16 Uhr, darauf wieder einzelverhöhr. … Ich wurde bis 20 Uhr mit Schläge ins Gesicht u. Handkanten hiebe in die Nieren gefoltert u dann bis 9 Uhr, des nägsten Tages in den Keller gespert.
… Am 16. 8. um 23 Uhr wurde ich mit Vater Bruter zu einem Verhöhr in die Caserne geholt; ich kam allein in 1 Kammer, u. machten mich Nackt ausziehen. Vorerst wurde ich ermüdiget in dem ich Kniebeugen liegestützen, stehent auf den Zehenspitzen u. Hände hoch stellung machen muste. Dann wurde auf den Tisch eine Holzkiste daraufgesetzt wo ich mit den Rücken daraufgelegt wurde. Die Füssen wurden von den Carabinieri auf einer Seite auf den Boden getrückt u. die Hände auf die Andere.
Ein anderer Carabinieri faßte mich bei den Haren u. knickte den Kopf nach hinten, schüttete eine brennende, Säure über die Augen, fühlte damit Nase u. Mund, u. wurde somit den Ersticken u. dem Wahnsin nahegebracht. Treimal wurde eine Pause gemacht, um die Herzschläge abzuhöhren. Wärend der Folter verschbottete man mich auf das Geschlechtsteil zeigent dem ich soweit bei besinung war nur so viel verstant, das es um Schweinerreien handelt das zu schildern ich mich schäme.
Bin bereit das hier geschilterte vor jeder höhern Person zu bestätigen.
Ich habe keine Anzeige gemacht.
Johann Thaler. 21 alt
Bauern-Sohn aus Sartal
Die drei Thaler-Söhne Christoph, Georg und Johann wurden nach eineinhalbjähriger Untersuchungshaft am 29. Dezember 1962 „aus Mangel an Beweisen“ in Freiheit gesetzt.
Eine Entschädigung für die Misshandlungen und die Untersuchungshaft haben sie nie bekommen.
Der Vater blieb in Haft und wurde am 16. Juli 1964 in Mailand zu 1 Jahr und 4 Monaten Kerker verurteilt. Er konnte das Gefängnis verlassen, da er schon seit 1961 in Haft gewesen war. In zweiter Instanz wurde er rechtskräftig freigesprochen.
In ehrendem Andenken an den Verstorbenen
Roland Lang
Obmann des „Südtiroler Heimatbundes“ SHB