Den Südtiroler Heimatbund erreicht die traurige Nachricht, dass der ehemalige Freiheitskämpfer Konrad Matuella aus Neumarkt am 27. Februar 2018 in Bad Hindelang in Deutschland verstorben ist. Er hatte 1961 der Neumarkter Gruppe des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) angehört, war am 17. Juli 1961 verhaftet und nach schrecklichen Folterungen durch die Carabinieri in das Gefängnis von Trient überstellt worden, so SHB-Obmann Roland Lang.
Bereits inhaftierte Freunde erkannten ihn kaum wieder, so sehr war sein Gesicht angeschwollen. Er war am Unterleib gefoltert, am ganzen Körper geschlagen und mit einer heißen Lampe verbrannt worden. Damals saß auch der Sarner SVP-Obmann und spätere österreichische Bundesratspräsident Helmut Kritzinger als Verdächtiger in Trient ein. Matuella und seine Kameraden konnten ihm im Gefängnishof das Erlittene schildern. Nachdem Kritzinger am 25. November 1961 in „provisorische Freiheit“ entlassen wurde, flüchtete er nach Österreich und verfasste für die Tiroler Landesregierung den erschütternden Bericht „Wie Südtiroler von den Karabinieri gefoltert wurden“. Dieser ist heute im Tiroler Landesarchiv einsehbar.
Im Sommer 1961 hatte sich der Wiener Rechtsanwalt Dr. Josef Outschar wegen des Vorwurfs angeblicher Finanzvergehen vorübergehend in Trient in italienischer Untersuchungshaft befunden. Im Gefängnis von Trient hatten ihm die dort einsitzenden Südtiroler Freiheitskämpfer berichtet, was ihnen die Carabinieri angetan hatten. Outschar hatte auch die Spuren der Folterungen an ihren Körpern gesehen. Kaum nach Österreich zurückgekehrt, verfasste er bereits am 11. August 1961 einen umfassenden Bericht für das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, in welchem er auch darüber berichtete, was u. A. Konrad Matuella angetan worden war.
In diesem Bericht, von dem sich eine Kopie im Tiroler Landesarchiv befindet, heißt es über Matuella:
Carabinierikaserne Neumarkt
Konrad M a t u e l l a aus Neumarkt wurde in Neumarkt verhaftet. Mit diesem habe ich besonders ausführlich gesprochen.
Er wurde geprügelt auf Kopf, Bauch, Füße, Gesäß und Hoden, die Hände musste er ununterbrochen hoch halten. Man hat ihn mit scharfen Linealen auf die Muskeln der Oberarme so geschlagen, dass blutunterlaufene Striemen sich bildeten. Er wurde über zwei übereinandergestellte Kisten gebunden, und zwar mit dem Rücken. Kopf und Beine hingen frei herunter. Er konnte sich daher in keiner Weise schützen. Nach einer Zeit von ca. 20 Stunden wurde er nach Eppan und dort einem gewissen Oswald Kofler gegenübergestellt. Dieser riet ihm, alles zu unterschreiben, es habe überhaupt keinen Sinn etwas abzustreiten. Er würde sonst wie Kofler nach Bozen kommen und dort bekäme er dann erst Spritzen. Die Spritzen hätten so eine Wirkung, daß er überhaupt keinen Widerstand entgegensetzen könne, wahnsinnige Angst habe und weiter geprügelt werde. Matuella erklärte, er würde ein Geständnis ablegen, aber nur in Neumarkt. Als er nach Neumarkt zurückgeführt wurde, hat er sich neuerlich geweigert, ein Geständnis abzulegen. Er wurde weitere 3 1/2 Stunden geschlagen. Erst nachdem man ihm drohte, ihn nach Bozen zu bringen, bestätigte er einfach alles, was man ihm vorhielt. Nachher wurde er nochmals angespuckt und gedroschen und ins Bezirksgericht Neumarkt eingeliefert.
Ich persönlich habe bei ihm festgestellt, dass er genauso wie die anderen zugerichtet war. Neu waren mir die Striemen an Oberarm sowie die dunkelblau blutunterlaufenen Striemen am Oberkörper, Unterschenkel, Nacken und Hinterkopf. Seine Angaben, dass er mindestens 28 Stunden ununterbrochen geprügelt und gefoltert worden sei, wurden durch Franz Egger und Heinrich Walter bestätigt.
Im August 1963 sagte Matuella mutig im Trienter Prozess gegen die Foltercarabinieri aus und am 15. Jänner 1964 brachte der Angeklagte Matuella im Mailänder Prozess vor aller Öffentlichkeit die erlittenen Folterungen zur Sprache. Er gelangte erst nach 5 Jahren und 4 Monaten wieder in Freiheit.
Wir trauern um einen aufrechten und mutigen Tiroler!
Roland Lang
Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB)